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Warum die Corona-Krise eine Chance für die Menschheit werden könnte

Kein Geheimnis mehr: Die surrealen Zustände, die wir in einem globalen Ausmaß gerade erleben, mögen den Weg bereiten für strukturelle Veränderungen, die über das Klein-Klein in Sachen Gesellschaftswandel hinausgehen, das in den letzten Jahren vorgeherrscht hat.

 

Die vorübergehende Aussetzung des „rasenden Stillstands“, d.h. des exponentiell wachsenden Umsatzes von Information, Energie und Ressourcen, den wir in den letzten Jahrzehnten erlebt haben, gibt uns die Möglichkeit, uns bewusst neu auszurichten. Von den Fakten her wissen wir, dass wir global-gesellschaftlich nicht so weitermachen können. Vom Alltagsbewusstsein her wussten wir es nicht. Ein brachliegendes öffentliches Leben, zu wenig Krankenhausbetten, knappe Güter, unzählige zu beklagende Todesopfer – in einer plus-drei-Grad-Welt, deren klimatische Auswirkungen fatal sein können, sind das gut mögliche regelmäßige Szenarien für nun alle kommenden Generationen. Wenn wir das erkennen, können wir die Krise in den Bereichen als das nutzen, was sie ist: eine Chance, ein Tor in eine neue, bewusstere Zeit.

 

Worum geht es konkret, und wie könnten wir anfangen? Für diejenigen, die unerwartet Freiräume gewonnen haben, hier einige Inspirationen.

 

 

1. Nutzen wir unseren Zeitwohlstand.

Zeit ist unendlich kostbar, wenn es darum geht, vom Alltagsbewusstsein Abstand zu nehmen und in eine Perspektive hinein zu leben, die einen weiteren Horizont hat. Denn es ist essentiell, zu unterscheiden zwischen dem eigenen urteilsfreien Da-Sein in der Existenz und dem Paradigma, in dem wir leben und das der Arbeitsmarkt wie kaum etwas verkörpert und aufrecht erhält. Was genau soll das sein? Nun, das Denken von Zeit als abzuarbeitende Aneinanderkettung von Augenblicken – als „Ich muss noch das und das“. Das Gefühl, dass alles knapp ist und hart verdient werden muss. Die Überzeugung, dass man selbst noch nicht gut genug ist und seinen Wert jeden Tag aufs Neue erarbeiten muss. Der Glaube, dass eine Wettbewerbssituation von allen gegen alle vorherrscht usw.

 

Innerhalb dieses Paradigmas, das sich wie alle gesellschaftlichen Paradigmen davor überholen wird, ist es unmöglich, tragfähige, nachhaltige Lösungen für alle Krisen zu finden, die uns bevorstehen und dafür zu kooperieren, zu ko-kreieren. Die ihnen zugrunde liegende Grund-Emotion der Angst lässt uns immer wieder Lösungen erschaffen, die an ihr ausgerichtet sind – und nicht an einer Lebensfreude, die das Sein feiert und lebendige Beziehungen stiftet.

 

Höchste Zeit, sich selbst neu kennen zu lernen. Die gute Nachricht: Wir sind mehr als unser Alltagsbewusstsein und die Summe unseres Ich-Bildes, unserer Urteile und unseres Wissens. Meditation und Gefühlsarbeit können uns helfen, dieses Konstrukt zu hintergehen. Hier können wir vertrauen. Wir werden da draußen keine Sicherheit finden, egal, wie stabil ein Gesundheitssystem, ein staatliches Krisenmanagement oder ein soziales Umfeld auch immer sein mag. Der Clou: Selbst wenn wir in völliger äußerer Sicherheit leben würden – oder wahlweise in der utopischsten aller Gesellschaften – würden wir keinen Frieden finden, wenn wir ihn nicht zuerst in uns selbst finden. Wir werden immer ein Spielball des Außen sein, der von Hoffnungen, Ängsten, Erwartungen und Zielen herumgeschleudert wird.

 

Probiere es aus: Gehe in dich. Wenn du in dir still wirst, beginnt alles, sich nach dir auszurichten. Die Spirale des Lebens beginnt, sich um dich zu drehen – in deinem ureigenen, lebendigen Tempo.

 

2. Suchen wir nach neuen gemeinschaftlichen Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu finanzieren.

Viele bangen in diesen Tagen um ihre finanzielle Existenz. Da sie ihre Dienstleistung nicht anbieten können, können sie auch nicht mit Einnahmen rechnen. Was aber, wenn jede*r von uns bereits vorher finanziert ist, weil eine kleinere oder größere Gruppe von Menschen, die die Dienstleistung gern in Anspruch nehmen, am Anfang des Jahres entscheidet, dass sie es ihnen wert ist? Dies ist das Prinzip gemeinschaftsbasierten Wirtschaftens, wie es in der Solidarischen Landwirtschaft bereits angewendet wird, aber auch für andere Arbeitsbereiche übertragbar ist. Die Mitglieder tragen dann auch das Risiko, dass die Dienstleistung ausfällt. Aber idealerweise sind sie ja selbst gemeinschaftsfinanziert … Freiberufler*innen können zudem Lösungen wie die Plattform Patreon in Anbetracht ziehen. Der Vorteil: Die Einkünfte werden unabhängig vom Markt, weil eine Gemeinschaft sie regelmäßig garantiert. Diese Form des Wirtschaftens als  neue experimentelle Übergangsform vom Alten zum Neuen ermöglicht es, wieder regionaler und lokaler zu wirtschaften und somit nicht mehr abhängig von globalen Märkten zu sein, die Morgen zusammenbrechen können. Ohne digitale Infrastruktur ist dies natürlich alles nicht umsetzbar – aber dafür haben wir sie!

3. Lernen wir wieder, mit Knappheiten umzugehen und sie in Fülle zu verwandeln.

Wir erleben gerade einen Vorgeschmack auf kommende Zeiten, wenn aufgrund des Klimawandels Ernten ausfallen oder durch Wetterextreme Infrastrukturen zerstört werden. Das wird eine neue Haltung des „Genug“ mit sich bringen, weil gegebenenfalls nicht immer alles zu jeder Zeit verfügbar ist. Für unsere Vorfahren war dieses Gefühl Alltag. Mit diesem Gefühl ging einher, darauf zu achten, dass man alles verbraucht und nichts verschwendet ... Dinge haltbar zu machen für Zeiten, in denen sie nicht da sein werden ... Dinge mehrfach verwenden, bis sie verschlissen sind ... Und einfach: Dinge in ihrer Existenz wertschätzen und genießen – dann, wenn sie verfügbar sind, wie die Erdbeeren im Juni. Daher konsumieren alte Menschen häufig von sich aus nachhaltiger als die Generation Y, die vegane Rezepte postet.

 

Dazu gehört im Übrigen sehr viel Expertise in Sachen Konservierung und Hauswirtschaft, Handwerk und Reparaturen, die vielerorts verschüttet ist – aber sicher nicht verloren, wenn wir genauer recherchieren, fragen und (virtuell) dokumentieren. Wo sind die Forschungsinstitute und Archive dazu?

 

4. Also: Dringend Forschungsräume gesucht!

Es ist verständlich, dass Regierungen und in die Erfordernisse des Jetzt eingebundene Entscheidungsträger sowie alle, die das alltägliche Leben am Laufen halten, keine Lösungen für Krisen entwickeln können – aber es ist ein Desaster, dass es bislang kaum unabhängige Forschungsräume gibt, in denen das Neue abseits von finanziellen Engpässen und Befristungen und gleichzeitig eingebunden ins Leben entwickelt und erahnt werden kann.

 

Die Mondlandung hätte nie stattgefunden, wenn die amerikanische Regierung nicht Unmengen investiert hätte in diese unsichere Mission. Das, was die aktuelle Gesellschaft in die Mission „Lebenswerte Zukunft“ investiert, ist nichts dagegen. Denn wir glauben, ununterbrochen am alltäglichen Hamsterrad teilhaben zu müssen, um vollwertige Bürger*innen zu sein, und uns diese Forschung nicht leisten zu können – und verspielen damit unsere gemeinsame Zukunft.

 

Wo bleiben  die massiven öffentlichen und privaten Investitionen in Orte (Reallabore, Institute, Ökodörfer, Forschungsnetzwerke), in denen Expert*innen, Bürger*innen, Studierende und Pioniere des Wandels vernetzt, interdisziplinär, praxisorientiert sowie langfristig  an neuen Ansätzen des Lebens und Wirtschaftens forschen können - um in naher Zukunft Antworten zu haben, wenn die Krisen chronisch werden?!?

Wenn es dir privat möglich ist, schaff dir Freiräume – zum Beispiel durch Auszeiten und Teilzeit-Erwerbsarbeit – geh in dich und komm kraftvoll zurück – vielleicht mit einer Idee, die unsere gemeinsame lebenswerte Zukunft betrifft.

 

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